Saarsport Die moralische Schuld nimmt keiner auf sich

Saarbrücken · Mit einer PR-Offensive bringt sich die LSVS-Führung aus der Schusslinie. Trotzdem stellt sich die Frage nach ihrer Verantwortung.

 Bei der Mitgliederversammlung am 16. Oktober 2014 gab Gerd Meyer (rechts) die Führung des Landessportverbandes für das Saarland an Klaus Meiser weiter. Beim jüngsten Finanzskandal des LSVS sehen sie sich nicht in der Verantwortung.

Bei der Mitgliederversammlung am 16. Oktober 2014 gab Gerd Meyer (rechts) die Führung des Landessportverbandes für das Saarland an Klaus Meiser weiter. Beim jüngsten Finanzskandal des LSVS sehen sie sich nicht in der Verantwortung.

Foto: Andreas Schlichter

Die Verbandsvertreter und Sportler atmen mehrheitlich auf, weil ihre Zuschüsse – zumindest für 2018 – nicht gekürzt werden. Und die Angestellten des Landessportverbandes für das Saarland (LSVS) sind froh, dass sie ihre Arbeit behalten. Nur frei werdende Stellen sollen nicht mehr besetzt werden, Entlassungen sind nicht vorgesehen. Die Aufarbeitung des Finanzskandals wirkt, mal abgesehen vom persönlichen Schicksal des freigestellten Hauptgeschäftsführers, beinahe harmonisch. Fast so, als sei kein größerer Schaden entstanden. Und tatsächlich war eines der erklärten Ziele des LSVS-Präsidenten Klaus Meiser, den Imageschaden zu begrenzen. So sieht es der vorgestellte Zwölf-Punkte-Plan vor. Also, Mission erfüllt?

Eine entscheidende Frage ist auch Tage nach dem Bekanntwerden des strukturellen Defizits von jährlich 700 000 Euro, das sich über Jahre auf etwa fünf Millionen Euro summierte, nicht geklärt. Welche Verantwortung tragen eigentlich der LSVS-Präsident und sein Präsidium, wenn es um den Haushalt des LSVS geht? Um etwa 15 Millionen Euro, die verteilt werden an Personal, Sportplanungskommission, ausgegeben werden für Baumaßnahmen, Zuschüsse für die Verbände und so weiter.

Glaubt man den Worten von Gerd Meyer (LSVS-Präsident von 2002 bis 2014) und Meiser (seit 2014), waren sie zu keinem Zeitpunkt informiert. Weder vom Hauptgeschäftsführer, noch vom Wirtschaftsprüfer. Meiser nennt den Geschäftsführer den Alleinverantwortlichen. Behauptet sogar, der langjährige Angestellte habe die Verschleierung eingeräumt. Dass der Beschuldigte die Vorwürfe vehement bestreitet, geht in der PR-Offensive und Krisenkommunikation des LSVS nahezu unter. Der Wirtschaftsprüfer, immerhin von der Mitgliederversammlung des Verbandes gewählt, darf sich gegenüber der Presse nicht äußern. Nur der LSVS könnte ihn von seiner Schweigepflicht entbinden. Darüber hinaus muss er ebenfalls ein juristisches Nachspiel befürchten. Da fällt es den Mächtigen des Saarsports nicht schwer, die Deutungshoheit zu behalten.

Die Frage, wer wann und wovon gewusst hat oder auch nicht, wird die Staatsanwaltschaft beschäftigen, möglicherweise die Gerichte, ganz sicher am 11. Januar den Innen- und Sportausschuss des Landtages. Petra Berg (SPD), die Vorsitzende des Ausschusses, fordert „größtmögliche Transparenz“. Nur: Steht auch die Verantwortung des LSVS-Präsidenten Meiser, seines Vorgängers Meyer und ihrer Funktionärskollegen auf der Tagesordnung? Per LSVS-Satzung obliegen dem Präsidium die Aufstellung und der Vollzug des Haushalts, ebenso die Vorprüfung der Bilanz.

Völlig unabhängig davon, ob der Hauptgeschäftsführer, der erste Herr über die Zahlen, ein strukturelles Defizit verschwiegen oder verschleiert hat: Die Frage, wie intensiv sich die Präsidiumsmitglieder eigentlich mit den Millionenausgaben auseinandersetzen, die sie absegnen, muss erlaubt sein.

Nun mag nicht jeder in der Lage sein, Bilanzen zu lesen und fragwürdige Details auszumachen. Und das ist sicherlich auch kein entscheidendes Kriterium für eine Leitungsposition im Sport. Dessen Funktionäre sprechen in der Regel ehrfurchtsvoll über Wirtschaftsführer und deren Kompetenzen. Aber in den vergangenen Jahren waren durchaus Personen im LSVS-Präsidium aktiv, deren ökonomisches Wissen unbestritten sein sollte. Etwa Karl-Heinz Groß, früher Präsident des Pferdesportverbandes Saar, Finanz-Kurator im Präsidium der Deutschen Reiterlichen Vereinigung und leitender Direktor bei der Dresdner Bank. Oder Franz Josef Schumann, der Präsident des Saarländischen Fußballverbandes, ehemals Präsident des Sparkassenverbandes Saar. Nicht zuletzt Meyer selbst, lange Geschäftsführer von Saartoto, und Landtagspräsident Meiser, der in zahlreichen Aufsichtsgremien und Verwaltungsräten sitzt. Meisers aktuelles Präsidium umfasst neben Schumann noch Lothar Altmeyer (Saarländischer Leichtathletik-Bund), Eugen Roth (Handball-Verband Saar), Karin Nonnweiler (Saarländischer Judo­bund), Andrea Pielen (Kneippbund Saar) und Udo Genetsch (Saarländische Sportjugend).

Die meisten dieser Namen sind der Öffentlichkeit vertraut. Im Saarland begegnen einem überall Multifunktionäre. So wie Hermann Neuberger einer war, der Mann, dessen Namen die Sportschule im Saarbrücker Stadtwald trägt. Weil dieser Neuberger einst den LSVS und Saartoto in Personalunion leitete, die Führungskultur ebenso prägte wie die Förderung des Sports. Kann sich ein Mensch mit derart vielen Aufgaben noch auf Details einlassen? Diese Frage stellt sich auch in der Gegenwart.

Alle beim LSVS wollen sich auf den Wirtschaftsprüfer verlassen haben, der den Jahresabschluss satzungsgemäß begutachtet. Schließlich bestimmt der Verband nicht einen Kassenprüfer aus den eigenen Reihen, sondern bezahlt einen ausgewiesenen Fachmann. Der Finanzexperte hatte für die Jahre 2009 bis 2014 nichts zu beanstanden. Gegenüber dem LSVS soll er erklärt haben, ein strukturelles Defizit sei in den Bilanzen erkennbar gewesen. Meiser wirft ihm nun vor, das Präsidium nicht ordnungsgemäß darauf hingewiesen zu haben.

Möglicherweise war der Finanzskandal in seiner Entstehung und Entwicklung so undurchsichtig, dass dem Präsidium rechtlich kein Versäumnis nachzuweisen ist. Aber entbindet das von der moralischen Schuld? Ist wirklich jeder im Präsidium seiner hohen Verantwortung gerecht geworden? Nach SZ-Informationen hat einzig Nonnweiler in internen Diskussionen ein ungutes Gefühl zum Ausdruck gebracht.

Das Sportministerium führt die Rechtsaufsicht über den LSVS. Es erhält auch alle Protokolle des Präsidiums. Die moralische Schuld muss jedoch innerhalb des Verbandes geklärt werden. Da dem LSVS eine übergeordnete Kontrollinstanz, etwa ein Aufsichtsrat, fehlt, wäre das die Aufgabe der Basis. Formal: der Mitgliederversammlung. Aber können die Ehrenamtlichen aus den Fachverbänden ein ernsthaftes Interesse an einer Konfrontation haben? Wer will in einem geschlossenen System, in dem alle am Tropf des LSVS und seinen Geldern hängen, als Nestbeschmutzer gelten? Der womöglich bei Anträgen in der Zukunft weniger großzügig berücksichtigt wird.

Der Saarsport verfügt größtenteils über Gelder, die ihm die Öffentlichkeit überlässt. Zweifelsohne ist das Sportachtel (12,5 Prozent der Umsätze von Saartoto), über das sich der LSVS und damit der Saarsport finanziert, ein Glücksfall. Gerd Meyer glaubt, dass die Menschen in der Region mehr tippen als im Rest der Republik, weil sie wissen, wem sie mit ihren Einsätzen etwas Gutes tun. Grundsätzlich ist alles nachvollziehbar strukturiert, in Gesetzen und Richtlinien niedergeschrieben.

Trotzdem erscheint die Sportförderung im Land wenig transparent. Die Verteilungskriterien sind an vielen Stellen so undurchsichtig wie der Finanzskandal. Persönliche Beziehungen spielen eine wesentliche Rolle – auch in der Personalpolitik. Wenn Klaus Meiser behauptet, der Hauptgeschäftsführer habe über die 93 Planstellen des LSVS hinaus Personal beschäftigt und über Sachmittel bezahlt, müsste er auch die Frage beantworten, wie teilweise Stellen beim LSVS geschaffen und besetzt werden. Immer wieder ist aus der Sportschule zu hören, dass Kontakte eine große Rolle spielen. Musste der bisherige Geschäftsführer vielleicht tricksen, um alle Wünsche erfüllen zu können?

Jede Anschuldigung der vergangenen Tage hat eine zweite Seite. Aber: Wo niemand aufschreit, wird auch nicht hingeschaut. Im System des Saarsports, einem System der Abhängigkeiten, gibt es so gut wie keinen Kläger. Weswegen die Aufarbeitung so geräuschlos verläuft.

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